Das Fellbacher IBA’27-Projekt beschäftigt sich mit unterschiedlichen thematischen Handlungsfeldern. Diese sind mit konkreten Projekten hinterlegt. Die dazugehörigen Projekte und deren Projektbeschreibungen befinden sich im Aufbau und werden in den kommenden Wochen hier eingepflegt.
Gewerbeflächen verdichten als Chance für urbane Produktion
Rd. 18% und damit fast 1/5 der Siedlungsfläche in Deutschland sind Gewerbeflächen. Die rd. 500.000 Hektar ähneln vielfach dem Gewerbegebiet Fellbachs: Meist weisen sie eine sehr geringe Dichte auf (max. 1-2-geschossig) und verfügen zudem über großflächige Parkierungen. Gleichzeitig wächst in der Region Stuttgart wie auch in anderen Regionen Deutschlands stetig der Bedarf an zusätzlichem Raum für Gewerbeflächen und Wohnen. Um den Druck auf Freiflächen zu mindern und der ökologisch wenig nachhaltigen Entwicklung auf „der grünen Wiese“ entgegenzuwirken, bedarf es neuer Lösungen.
Wie also lassen sich Gewerbegebiete in nachhaltige, produktive und zugleich multifunktionale Standorte entwickeln und die vorhandenen Flächen effektiver nutzen? Und wie können vor allem die bisher geringen Dichten in den Gewerbegebieten künftig als Potentialflächen und damit als Chance genutzt werden? In verschiedenen Teilprojekten gehen wir diesen Fragen nach. Während Aufstockungen im Wohnungsbau mittlerweile ein anerkanntes Instrument für die Schaffung neuen Wohnraumes sind, ist diese Überlegung im Gewerbegebiet weitestgehend Neuland. Mögliche Ansätze dabei sind Anbauten und Aufstockungen von Gewerbeflächen oder auch die Überbauung von Parkplätzen. Der Abriss und ein verdichteter Neubau sind ebenfalls denkbar.
Ein zusätzlicher Denkansatz ist es, gewerbliche Dächer künftig verstärkt für die landwirtschaftliche Produktion zu nutzen. Bestimmte Sonderkulturen sind nicht mehr erdgebunden und lassen sich so auf Agrarflächen auf den Dächern der Gebäude anpflanzen (sog. Rooftop-Farming).
Klimakrise als globale und lokale Herausforderung
Extreme Hitze im Sommer, zu wenig Regen und damit ein sinkender Grundwasserspiegel oder Starkregenfälle mit Überschwemmungen: Diese Beispiele verdeutlichen, dass der Klimawandel auch in Deutschland angekommen ist. Besonders in den Gewerbegebieten und in der Landwirtschaft machen sich die Auswirkungen bemerkbar: So ist der Grünanteil in Gewerbegebieten bisher meist gering, kaum Dächer sind begrünt und die Flächen größtenteils versiegelt. Dies führt im Sommer zu Hitzeinseln. Auch Fragen wie der Umgang mit Regenwasser (z.B. bei Starkregen) oder die hohe Belastung für die Mitarbeitenden in den Gewerbegebieten drängen sich auf.
Die Klimakrise stellt aber auch die Landwirtschaft vor große Herausforderungen: Mit der anhaltenden Dürre steigt der Wasserbedarf zur Bewässerung, gleichzeitig verschieben sich Vegetationszeiten. Vielfach verstärken daher Landwirte ihren Anbau in Gewächshäusern und Folientunneln.
In verschiedenen Ansätzen gehen wir der Frage nach, wie sich die Folgen der Klimakrise in den Untersuchungsgebieten abmildern lassen. Als Beispiele sind die Entsiegelung, die Verbesserung von Grünstrukturen und Versickerungsflächen, die Dach- und Fassadenbegrünung oder auch der bessere Umgang mit der Ressource Wasser zu nennen. Als bundesweit einzigartiger, neuer Ansatz suchen wir Lösungen, wie Gewerbe und Landwirtschaft als vernetztes System voneinander profitieren können. So untersuchen wir beispielsweise, wie der Wasserüberschuss im Gewerbegebiet genutzt werden kann, um den steigenden Wasserbedarf in der Landwirtschaft zu decken.
Zukunftsfähige Mobilität im Untersuchungsgebiet
Die bestehenden Gewerbegebiete sind nahezu ausschließlich für den Auto- und Wirtschaftsverkehr ausgerichtet. Fuß- und Radwege sind kaum vorhanden, Straßen und große Parkflächen prägen das Gebiet maßgeblich. In einem Verdichtungsraum wie der Region Stuttgart bestehe daher ein hoher Druck den Gewerbebestand auch verkehrlich an aktuelle Anforderungen anzupassen.
Dazu trägt auch die sich abzeichnende Wende hin zur Elektro- bzw. Wasserstoffmobilität und neuer Formen der Logistik bei. Das Fellbacher IBA-Projekt legt aber nicht nur einen Fokus auf das Gewerbe. Auch im landwirtschaftlichen Bereich besteht Handlungsbedarf. Der zunehmende Freizeitdruck auf landwirtschaftlichen Wegen schränkt hier beispielsweise die landwirtschaftlichen Verkehre ein. Im Rahmen unseres IBA’27-Projektes wollen wir deshalb gemeinsam nachhaltige und zukunftsfähige Mobilitätsformen im Gebiet stärken und bestehende Konflikte auflösen.
Synergien bei Stoffkreisläufen und Energie schaffen
Während Themen wie Mobilität oder die Klimaanpassung in vielen Projekten deutschlandweit untersucht werden, wollen wir in Teilprojekten auch bisher kaum beachtete und damit kaum genutzte Ressourcen wie Feststoffabfälle, Wasser/Abwasser oder auch Abgase wie CO2 betrachten. Im Fokus steht dabei die effektivere Nutzung dieser Stoffe und die Bildung von quartiersbezogenen Kreisläufen im Bestand.
Eine Effizienzsteigerung ist auch im Bereich der Wärme und Energie dringend geboten. Beispielhaft sind hier die Nutzung von Abwärme, Flächen für regenerative Energien im Bestand oder innovative Speicherlösungen. Dabei verfolgen wir einen neuen Ansatz und konzentrieren uns nicht auf einzelne Gebäude, sondern auf das gesamte Bestandsgebiet als „vernetztes System“. Die Verzahnung von Gewerbe und Landwirtschaft in diesen Fragen ist dabei Neuland.
Im Rahmen der Projekte wollen wir daher Lösungen finden, die Ressourcen effizienter zu nutzen, Synergien zu schaffen und damit nachhaltige Kreisläufe innerhalb des Bestandsgebietes zu schließen.
Zukunft urbane Landwirtschaft
Jahrhunderte lang wurde die Stadtbevölkerung durch die unmittelbar im Umland ansässige Landwirtschaft ernährt. Doch regional erzeugte Lebensmittel spielen heute nur noch eine untergeordnete Rolle für die Versorgung vor Ort. Globale Lieferketten prägen den Lebensmittelmarkt – auch mit nachteiligen Auswirkungen. So erhöht die durch die Welt nach Deutschland gereiste Ware den globalen CO2-Ausstoß. Auch Abhängigkeiten von Lebensmittelimporten (Stichwort Ukraine) sind die Folge des immer stärker werdenden globalen Marktes.
Die globale Konkurrenz, der Klimawandel aber auch der fortschreitende Flächenverlust setzen die hiesige Landwirtschaft in den Ballungsregionen stark unter Druck. Die urbane Landwirtschaft steht daher vor großen Herausforderungen und muss mithilfe neuer Anbauformen- und Flächen, Digitalisierung oder Vermarktungsformen auf diese Entwicklungen reagieren.
Im Rahmen unserer Projekte wollen wir die lokale und regionale Landwirtschaft stärken und zukunftsfähige Entwicklungsperspektiven aufzeigen. Insbesondere wollen wir dabei Synergien mit angrenzenden Wohn- und Gewerbegebieten schaffen.